Großstadt

10:00:00

Ich sitze auf einer Bank irgendwo an einer Haltestelle und fingere schon seit Minuten nervös auf meinem Handy herum. Die Häuser vor und hinter mir sind so riesig, das ich den Himmel kaum sehe und ich habe keinen blassen Schimmer mehr wo ich bin. Auf dem Schild der Haltestelle steht eine Straße und ich gebe den Namen halb verzweifelt in das Internetdokument ein, das mir hoffentlich sagen kann, mit welcher Bahn ich an mein Ziel komme. Die Seite läd und läd nicht und beim Anblick meines Akkustandes wird mir direkt schlecht. Ich hab mich selten so verloren gefühlt wie in diesem Moment. Eine Straßenbahn hält, laut Plan die einzige Linie dieser Station, also steige ich einfach ein. Nachdem ich eine gefühlte Ewigkeit gebraucht habe um das Ticket zu bezahlen setze ich mich auf einen freien Platz und sehe nach draußen. 


 Bokeh, Night, Blurry, Skyline, Frankfurt

Häuser über Häuser und so viele Menschen. Ich erkenne rein gar nichts wieder. Wir fahren ein Stück, bis ich ein U-bahn Schild sehe. Ich erinnere mich, an meinem Ziel ebenfalls eine gesehen zu haben. U- Bahn fahren ist leichter als Straßenbahn fahren. Darin habe ich mehr Übung. Scheu frage ich den Fahrer ob er auch an der Bockenheimer Warte vorbei fährt, aber er schaut nur verwundert. Stattdessen kommen mir gleich drei Passanten zu Hilfe und weisen mich darauf hin, dass ich hier direkt aussteigen muss. Der Fahrer, der bereits wieder am Anfahren ist, tritt auf die Bremse und lässt mich raus. Etwas verwirrt bleibe ich an der Haltestelle zurück. Ich bin erleichtert, als ich zumindest hier auf dem Plan meine Zielstation finde. Jetzt weiß ich, dass ich ankommen werde. Ich bin trotzdem verunsichert. Da wo ich herkomme hilft dir niemand, wenn du dich verfährst. Meine Bahn kommt und es geht weiter. 

Während man mit einer Straßenbahn fährt, hat man viel Zeit nachzudenken und gerade platzt mein Kopf vor Gedanken. Ich bin hier wegen einer Wohnungsbesichtigung. Ich werde hier wohnen. Der Gedanke erschlägt mich gerade etwas. Ich fühle mich seltsam. Nervös und aufgekratzt, aber im positiven Sinne. Vielleicht auch mehr, wie bei einem Sonnenstich. Auf jeden Fall ist mir schlecht. Ich komme fast schon aus einem Dorf. Die Stadt ist klein und übersichtlich und auf allen Seiten sieht man die Berge. Es gibt keine Straßenbahnen, kein U-Bahn System. Ich frage mich ob es die richtige Entscheidung war, 400 Kilometer weg und in so eine große Stadt zu ziehen, aber gleichzeitig weiß ich auch, dass es so ist. Ständig sehe ich Plakate von Ballett- und Theateraufführungen, von Musicals und Kunstausstellungen. Ich muss lächeln als ich Werbung für die Frankfurter Buchmesse sehe. Die Bahn hält, ich muss aussteigen. Beinahe hätte ich die Tüte mit den Büchern vergessen, die ich zuvor gekauft habe, aber ein junger Herr hält mich zurück und drückt sie mir in die Hand. „Viel Glück“, wünscht er mir und ich bin mir kurz nicht sicher, ob ich richtig gehört habe. „Viel Glück, wofür?“, frage ich. Er lächelt nur und zeigt auf die Tür. „Die Bahn fährt gleich weiter.“ Ich blinzle kurz, lache dann heißer und steige aus. Heute Abend werde ich wieder heimfahren, aber ich komme bald wieder. Mein neues Leben wird hier beginnen.

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4 Kommentare

  1. Ein sehr schön geschriebener Post. Ich kann mir gut vorstellen, dass du einem Umzug mit gemischten Gefühlen entgegen schaust, da ich selber kurz vor einem Umzug in eine andere Stadt stehe. Bei mir handelt es sich zwar nicht um einen Wechsel von kleiner Stadt zu Großstadt und auch nicht so weit weg, aber es ist trotzdem seltsam, wohin zu ziehen, wo man sich nicht auskennt und man weiter weg von der Familie ist. Aber du schafftst das und ich wünsche dir viel Glück dafür! :)

    Liebe Grüße
    Diana

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    1. Ja, das kann wirklich beängstigend sein. Es ist aber auch furchtbar aufregend. Ich wünsche dir auch viel Glück.

      Liebe Grüße
      Franzi

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  2. Darf ich fragen um welche Stadt es sich handelt?

    glg Jacky

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    1. Klar :) Es handelt sich um Frankfurt. Ich fange da im Herbst zu studieren an.

      LG
      Franzi

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