Karlinchen- Ein Kind auf der Flucht

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Verlag: Ueberreuter
Preis: € 14,95
Seiten: ca. 32
gebunden
ISBN:  978-3-219-11692-2


Neulich war ich mit der Tochter einer Freundin in der Kinder- und Jugendbibliothek in Frankfurt. Dort fiel mir im Regal für Kinder ab fünf ein Buch in die Hand, dass mir sofort durch seinen Titel auffiel: „Karlinchen - Ein Kind auf der Flucht“. Ein Blick auf das Erscheinungsdatum zeigte mir, dass das Buch schon 2001 erschienen war, aber das doch so aktuelle Thema und die schönen Illustrationen zwangen mich schon fast dazu es mir genauer anzusehen. Es war das einzige der Bücher, die wir gefunden haben, von dem Lilli schon in der Bibliothek wollte, dass ich es ihr vorlese. Schon beim ersten mal lesen wurde sie richtig ruhig und war sichtbar von der Geschichte gefesselt. 

Karlinchen, Flüchtlinge, Kinder auf der Flucht, Kinderbuch

Es geht in diesem Bilderbuch um ein kleines Mädchen, das ihr Zuhause durch Feuer verliert „das vom Himmel fällt“ und das niemanden mehr hat, der sich um es kümmert. Sie macht sich also auf die Suche nach einem neuen Zuhause oder zumindest nach etwas zum essen, wird aber überall abgelehnt. Die Steinbeißer wollen ihr zwar erst helfen, werden aber wütend als sie die Steine die sie ihr geben nicht essen möchte. Die Schwalbenschwänze schicken sie weg, als sie bemerken, dass das Kind keinen Schwalbenschwanz hat und das obwohl Karlinchen anbietet, sich einfach einen Schwanz anzustecken. „In unserem Land dürfen nur Schwalbenschwänze leben.“, ist ihre Begründung. Und dann gibt es da noch die „Schaffraffer“, die reich sind, in schönen Häusern wohnen und so viel zu essen haben, dass sie es sogar wegschmeißen. Karlinchen wollen sie aber trotzdem nicht helfen und behaupten, sie hätten selbst nichts. Letztendlich trifft sie auf einen lustigen bunten Mann, der in einem Baum lebt und ihr anbietet bei ihr zu bleiben. Als er ihr erzählt, dass er ein „Narr“ sei, fragt Karlinchen ihn ob man so die Menschen nennen würde, die nett zu einander sind. Sie hätte dann nämlich lange nach ihm gesucht und würde auch gerne ein Narr werden.

Wie ihr wahrscheinlich bemerkt habt, benutzt die Autorin einfache Metaphern und Umschreibungen um die Situation von Flüchtlingen verständlich aber auch kindgerecht darzustellen. Lilli fand vor allem die „Schwalbenschwänze“ unheimlich unsympathisch und unfreundlich und hat sofort verstanden, dass Karlinchen ja sogar versuchen wollte sich anzupassen. Als es um die Schaffraffer ging konnte ich fast schon sehen, wie die Rädchen in ihrem Kopf arbeiteten. Sämtliche anderen Gestalten waren sehr fantasievoll und lebten irgendwo im Wald, aber die Schaffraffer und ihre Stadt ähnelten der Stadt in der wir leben ungemein. Davon erzählte sie mir dann auch direkt. Das Buch ist auf den meisten Seiten absolut kein fröhliches Buch. Jede Doppelseite und jede Begegnung mit neuen Charakteren endet mit einem „Sie verstehen mich nicht, weil ich fremd bin und anders als sie.“. Lilli meinte schon nach zwei Seiten, dass Karlinchen doch hoffentlich am Ende jemanden finden würde der nett zu ihr ist und war ganz erleichtert, als es dann auch so war.

Was ich an diesem Buch so liebe, sind all die Gelegenheiten, die es liefert um mit Kindern über das Thema ins Gespräch zu kommen. Lillis Kindergartengruppe besucht seit ein paar Wochen ein Kind aus Syrien, weswegen das Thema für sie unheimlich nah und aktuell ist, aber wie erklärt man einer fünfjährigen, die in einem sicheren Land wie Deutschland aufwächst, was Krieg bedeutet und Flucht, ohne sie zu verunsichern oder ihr Angst zu machen? Wir haben das Buch an diesem Tag noch drei mal gelesen und ihr fiel jedes mal ein anderer Aspekt auf, der sie beschäftigte. Gerade das Ende war immer wieder Thema: Ist der Mann ein Narr, nur weil er sich um andere Menschen kümmert? Ich habe eine Rezension gefunden in der genau dieser Aspekt kritisiert wurde, aber ich glaube die Autorin dieser Rezension hat die Ironie nicht verstanden, die dahinter liegt. Genauso wenig wie sie die Chance erkannt hat, wirklich mit Kindern über dieses Thema zu reden. Vielleicht ist es auch nur inzwischen viel offensichtlicher geworden, wo Begriffe wie „Gutmensch“ in der Öffentlichkeit immer öfter als Schimpfworte benutzt werden.

Ich kann das Buch nur jedem ans Herz legen, der mit Kindern ab fünf Jahren zu tun hat oder arbeitet. Es hat nicht nur einen hohen pädagogischen Wert und behandelt ein wichtiges und aktuelles Thema, sondern besticht auch durch einen schönen, kindgerechten Schreibstil und unheimlich schöne Illustrationen. Die Autorin spendet übrigens einen Euro für jedes verkaufte Exemplar an Save the Children, die weltweit größte unabhängige Kinderrechtsorganisation, die beispielhafte Flüchtlingshilfe leistet – hier und in den Krisengebieten.




Da ich das Buch bereits Lillis Erzieherin gegeben habe, da mit diese es in der Gruppe benutzen kann, kann ich euch keine Bilder zeigen, aber aus den Illustrationen und dem Text wurde ein kurzer Trickfilm gemacht, der sich nur am Ende von dem Buch unterscheidet und den könnt ihr euch hier gerne ansehen. (Auch wenn ich das Buch wirklich empfehlen würde, weil es einem mehr Zeit zum darüber nachdenken und reden gibt.)


Was ist eure Meinung zu dem Thema? Denkt ihr man sollte Kinder von dem ganzen Thema besser fernhalten? Oder kennt ihr andere Bücher, die sich kindgerecht mit dem Thema beschäftigen? Ich wäre über ein paar Lesetipps dankbar!

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