Neulich war ich mit der Tochter einer
Freundin in der Kinder- und Jugendbibliothek in Frankfurt. Dort fiel
mir im Regal für Kinder ab fünf ein Buch in die Hand, dass mir
sofort durch seinen Titel auffiel: „Karlinchen - Ein Kind auf der
Flucht“. Ein Blick auf das Erscheinungsdatum zeigte mir, dass das
Buch schon 2001 erschienen war, aber das doch so aktuelle Thema und
die schönen Illustrationen zwangen mich schon fast dazu es mir
genauer anzusehen. Es war das einzige der Bücher, die wir gefunden
haben, von dem Lilli schon in der Bibliothek wollte, dass ich es ihr
vorlese. Schon beim ersten mal lesen wurde sie richtig ruhig und war
sichtbar von der Geschichte gefesselt.
Es geht in diesem Bilderbuch um ein
kleines Mädchen, das ihr Zuhause durch Feuer verliert „das vom
Himmel fällt“ und das niemanden mehr hat, der sich um es kümmert.
Sie macht sich also auf die Suche nach einem neuen Zuhause oder
zumindest nach etwas zum essen, wird aber überall abgelehnt. Die
Steinbeißer wollen ihr zwar erst helfen, werden aber wütend als sie
die Steine die sie ihr geben nicht essen möchte. Die
Schwalbenschwänze schicken sie weg, als sie bemerken, dass das Kind
keinen Schwalbenschwanz hat und das obwohl Karlinchen anbietet, sich
einfach einen Schwanz anzustecken. „In unserem Land dürfen nur
Schwalbenschwänze leben.“, ist ihre Begründung. Und dann gibt es
da noch die „Schaffraffer“, die reich sind, in schönen Häusern
wohnen und so viel zu essen haben, dass sie es sogar wegschmeißen.
Karlinchen wollen sie aber trotzdem nicht helfen und behaupten, sie
hätten selbst nichts. Letztendlich trifft sie auf einen lustigen
bunten Mann, der in einem Baum lebt und ihr anbietet bei ihr zu
bleiben. Als er ihr erzählt, dass er ein „Narr“ sei, fragt
Karlinchen ihn ob man so die Menschen nennen würde, die nett zu
einander sind. Sie hätte dann nämlich lange nach ihm gesucht und
würde auch gerne ein Narr werden.
Wie ihr wahrscheinlich bemerkt habt,
benutzt die Autorin einfache Metaphern und Umschreibungen um die
Situation von Flüchtlingen verständlich aber auch kindgerecht
darzustellen. Lilli fand vor allem die „Schwalbenschwänze“
unheimlich unsympathisch und unfreundlich und hat sofort verstanden,
dass Karlinchen ja sogar versuchen wollte sich anzupassen. Als es um
die Schaffraffer ging konnte ich fast schon sehen, wie die Rädchen
in ihrem Kopf arbeiteten. Sämtliche anderen Gestalten waren sehr
fantasievoll und lebten irgendwo im Wald, aber die Schaffraffer und
ihre Stadt ähnelten der Stadt in der wir leben ungemein. Davon
erzählte sie mir dann auch direkt. Das Buch ist auf den meisten
Seiten absolut kein fröhliches Buch. Jede Doppelseite und jede
Begegnung mit neuen Charakteren endet mit einem „Sie verstehen mich
nicht, weil ich fremd bin und anders als sie.“. Lilli meinte schon
nach zwei Seiten, dass Karlinchen doch hoffentlich am Ende jemanden
finden würde der nett zu ihr ist und war ganz erleichtert, als es
dann auch so war.
Was ich an diesem Buch so liebe, sind
all die Gelegenheiten, die es liefert um mit Kindern über das Thema
ins Gespräch zu kommen. Lillis Kindergartengruppe besucht seit ein
paar Wochen ein Kind aus Syrien, weswegen das Thema für sie
unheimlich nah und aktuell ist, aber wie erklärt man einer
fünfjährigen, die in einem sicheren Land wie Deutschland aufwächst,
was Krieg bedeutet und Flucht, ohne sie zu verunsichern oder ihr
Angst zu machen? Wir haben das Buch an diesem Tag noch drei mal
gelesen und ihr fiel jedes mal ein anderer Aspekt auf, der sie
beschäftigte. Gerade das Ende war immer wieder Thema: Ist der Mann
ein Narr, nur weil er sich um andere Menschen kümmert? Ich habe eine
Rezension gefunden in der genau dieser Aspekt kritisiert wurde, aber
ich glaube die Autorin dieser Rezension hat die Ironie nicht
verstanden, die dahinter liegt. Genauso wenig wie sie die Chance
erkannt hat, wirklich mit Kindern über dieses Thema zu reden.
Vielleicht ist es auch nur inzwischen viel offensichtlicher geworden,
wo Begriffe wie „Gutmensch“ in der Öffentlichkeit immer öfter
als Schimpfworte benutzt werden.
Ich kann das Buch nur jedem ans Herz
legen, der mit Kindern ab fünf Jahren zu tun hat oder arbeitet. Es
hat nicht nur einen hohen pädagogischen Wert und behandelt ein
wichtiges und aktuelles Thema, sondern besticht auch durch einen
schönen, kindgerechten Schreibstil und unheimlich schöne
Illustrationen. Die Autorin spendet übrigens einen Euro für jedes verkaufte Exemplar an Save the
Children, die weltweit größte unabhängige Kinderrechtsorganisation, die
beispielhafte Flüchtlingshilfe leistet – hier und in den Krisengebieten.
Da ich das Buch bereits Lillis Erzieherin gegeben habe, da mit diese es in der Gruppe benutzen kann, kann ich euch keine Bilder zeigen, aber aus den Illustrationen und dem Text wurde ein kurzer Trickfilm gemacht, der sich nur am Ende von dem Buch unterscheidet und den könnt ihr euch hier gerne ansehen. (Auch wenn ich das Buch wirklich empfehlen würde, weil es einem mehr Zeit zum darüber nachdenken und reden gibt.)
Da ich das Buch bereits Lillis Erzieherin gegeben habe, da mit diese es in der Gruppe benutzen kann, kann ich euch keine Bilder zeigen, aber aus den Illustrationen und dem Text wurde ein kurzer Trickfilm gemacht, der sich nur am Ende von dem Buch unterscheidet und den könnt ihr euch hier gerne ansehen. (Auch wenn ich das Buch wirklich empfehlen würde, weil es einem mehr Zeit zum darüber nachdenken und reden gibt.)
Was ist eure Meinung zu dem Thema?
Denkt ihr man sollte Kinder von dem ganzen Thema besser fernhalten?
Oder kennt ihr andere Bücher, die sich kindgerecht mit dem Thema
beschäftigen? Ich wäre über ein paar Lesetipps dankbar!
- 23:01:00
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