An meinem 18. Geburtstag war ich mir
sicher, das wäre es jetzt. Die Kindheit endgültig und offiziell
vorbei, die Frage ob ich mich nun als Mädchen oder Frau bezeichnen
sollte, fürs erste beantwortet. Mit 18 ist man doch erwachsen oder
etwa nicht? Ich habe drei Jahre lang versucht mich an den Begriff
„Frau“ zu gewöhnen. „Die Frau da hinten hat einen Hasen
dabei!“. „Haben Sie zufällig ein Taschentuch?“. Noch heute
muss ich mich immer davon abhalten Menschen, die mich siezen zu
korrigieren. Zu meinem 21. Geburtstag wurde ich dann plötzlich von
allen Seiten gefragt, wie man sich als Erwachsene denn jetzt so
fühlt. Warte. War ich das nicht schon die letzten drei Jahre?
Theoretisch hat es sich verdammt danach angefühlt. Alleine lebend,
selbst für mich und mein Studium verantwortlich und ein Job, bei dem
ich buchstäblich die Verantwortung für 20 kleine Persönlichkeiten
habe, deren Eltern manchmal noch nicht einmal viel älter sind als
ich. In 13 Tagen endet jetzt mein letztes Semester im Bachelor. 5
Semester, die schneller rumgingen als ein Sommergewitter. Ein erster
Abschluss. Noch ein Schritt weiter zu den „Erwachsenen“. Seit
gestern bin ich offiziell für den Master eingeschrieben.
Masterstudenten. Die kamen mir vor 2.5 Jahren noch unheimlich
erwachsen und gebildet vor, als ich mich als Erstsemestlerin ohne
Plan zum hundertsten Mal auf unserem viel zu großen Campus verlaufen
habe.
Vor ein paar Wochen war ich mit der fünfjährigen Tochter einer Freundin unterwegs. Erst waren wir im Theater (Das Dschungelbuch) und danach noch kurz bei mir, weil ihr Vater sie dort abholen wollte. Natürlich fiel dem Kind sofort die Kinder und Bilderbuchsammlung auf, die ich für meine Bachelorarbeit angesammelt hatte. Alles Klassiker und Erinnerungen aus meiner eigenen Kindheit, die ich jetzt nicht mehr übers Herz bringe wieder zu verkaufen. „Warum hast du so viele Kinderbücher, die sind doch für Kinder!“ Ich konnte ihr darauf keine Antwort geben. Zum einen hätte sie mit dem Thema meiner Bachelorthesis (Die Darstellung des Bild des Kindes in der Kinderliteratur der 50er Jahre) ohnehin nicht viel anfangen können, zum anderen fühlte es sich viel zu sehr nach einer Ausrede an. Ich finde einfach nicht, dass Bücher oder Filme allein für eine bestimmte Altersgruppe gemacht sind.
Am letzten Freitag war ich mit
einer Freundin (die den Namen Buchbloggerin übrigens wirklich noch verdient, anders als ich momentan) in Mainz. Dort landeten wir in
einer Filiale der Ladenkette „Joker“. Wer das nicht kennt: Hier
werden Restposten von Büchern zu billigeren Preisen verkauft. Ich
hatte ohnehin nichts zum Lesen für die relativ lange Rückfahrt
dabei (von Mainz nach Frankfurt braucht die S-bahn etwa 45 Minuten)
und fand eine Ausgabe von „Isla- Schwanenmädchen“ für nur einen
Euro. Kristina fand eine recht günstige Ausgabe von „Endgame- die
Auserwählten“. Wir standen also mit zwei Büchern an der Kasse.
Der Verkäufer war recht jung. Vielleicht Mitte/Ende Zwanzig. Nachdem
wir bezahlt hatten meinte er scherzhaft, dass er es echt interessant
fände, dass man „so etwas immer nur bei Frauen beobachtet und
selten bei Männern“. Auf unsere Nachfrage, was er denn damit
meinte, druckste er etwas verlegen herum, als müsste er erst
abschätzen, wie „casual“ er tatsächlich mit uns umgehen konnte.
„Naja ihr seit ja nicht mehr unbedingt die Zielgruppe...“. Da
standen wir also, ich Anfangzwanzig und Kristina Endezwanzig und
bekamen erzählt, dass wir zu alt für die Bücher wären, die wir
gerade gekauft hatten. Versteht mich nicht falsch, ich weiß wie er
es gemeint hat und ich verstehe auch, wie er auf den Gedanken
gekommen ist. „Isla- Schwanenmädchen“ ist praktisch fast noch
ein Kinderbuch und „Endgame“ läuft offiziell unter „Jugendbuch“.
Nur ist mir der Gedanken beim Durchstöbern der Regale gar nicht
gekommen. Würde man danach gehen, stehen beinahe ausschließlich
Bücher in meinem Regal, für die ich eigentlich zu alt bin. Trotzdem
saß ich keine halbe Stunde mit Tränen in den Augen in der S-Bahn,
weil das vermeintliche Kinderbuch eben doch nicht nur für Kinder
geschrieben wurde.
Das Buch handelt von einem jungen Mädchen,
vielleicht 12 oder 13, deren Vater schwer Herzkrank ist und um sein
Leben kämpfen muss. Genauso geht es darum, wie das Mädchen selbst
mit der Situation umgeht. Sie schließt nicht nur Freundschaft mit
einem an Leukämie erkrankten Jungen, sondern auch mit einem jungen
Singschwan Weibchen, das an dem selben Tag seinen Schwarm verloren
hat, an dem Isla lernen musste, wie krank ihr Vater wirklich ist. Das
Buch ist unheimlich poetisch und emotional geschrieben und hat mich
von Anfang an in seinen Bann gezogen und genau das sollte ein gutes
Buch machen. Als „Erwachsener“ liest du Kinder- und Jugendbücher
vielleicht mit einem anderen Blick, als die Zielgruppe, aber meistens
auch mit dem selben Herzen. Ich habe Altersempfehlungen immer als
einen Schutz nach oben verstanden. Ein Buch für Erwachsene, kann für
ein Kind schwierig zu verarbeiten sein, aber ich sehe keinen Grund
warum Jugendliche oder Erwachsene keine Kinderbücher lesen sollten.
Letztendlich ist es doch immer eine Frage des eigenen Geschmacks und
der eigenen Vorlieben. Ich lese vorwiegend Jugendbücher und fühle
mich mit 21 devinitiv noch nicht zu alt dafür, gleichzeitig kann ich
mit Jugendthrillern wenig anfangen, weil sie mir in diesem Genre
einfach nicht extrem genug sind. Da greife ich dann eben in das Regal
für Erwachsene.
Ich denke heutzutage ist „Erwachsen zu sein“,
mehr denn je nur ein Konstrukt, an das sich die Menschen nicht mehr
strikt halten wollen. Du wirst zwar verantwortungsbewusster und
vernünftiger, aber bis zu einem gewissen Grad hält doch jeder an
den Dingen fest, die dich als Kind bewegt haben. Ich denke so wie ich
gerade bin, ist das erwachsenste das ich jemals sein werde. Ich werde
immer Disney Filme toll finden und Illustrationen lieben. Ich werde
immer ein kleiner Nerd bleiben, der auch mit 21 noch Pokemon auf
seinem DS spielt und ganz nervös wird, wenn eine seiner
Lieblingssendungen als Kind nach über 20 Jahren fortgesetzt wird
(Fuller House war mein Highlight im Februar!) und ich weiß das ich damit nicht alleine bin. Erst neulich habe
ich mein Lieblingsbuch aus der Grundschulzeit wieder in die Hand
genommen: „Ronja Räubertochter“. Als Ronja und ihr Vater sich
weinend in den Armen lagen, weil sie ihre Differenzen endlich
beseitigen konnten und Ronja ihren Vater fragte, ob sie denn nun
wieder sein Kind sei, traf mich das genauso wie vor 13 Jahren mitten
ins Herz. So sehr, dass mir eine Fremde im Bus ein
Taschentuch in die Hand gedrückt hat. Es hat einen Grund warum
manche Bücher oder auch Filme sich über so lange Generationen
halten. Sie beeindrucken eine ganze Generationen und prägen sie
genug, um von diesen Kindern ein Leben lang im Herzen getragen zu
werden. Die Liebe zu manchen Büchern kann wohl einfach weiter
vererbt werden und manche Themen lassen dich dein Leben lang nicht los.
- 19:43:00
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